TEILNAHME AN EMISSIONSHANDEL SOLL ÜBERLEBEN VON INDIGENEN SICHERN

Bra­si­lien: Teil­nahme am Emis­si­ons­handel soll Über­leben von Indi­genen sichern

Donnerstag, 14. Juni 2012 | Brasilien |

Von Fabiola Ortiz — Rio de Janeiro | IPS |

Keine 45 Jahre ist es her, da hatte das indi­gene Volk der Paiter-​Suruí noch keinen Kon­takt zur Außen­welt. Doch das Ende ihrer Abge­schie­den­heit hätte sie fast um ihre Exis­tenz gebracht. Jetzt wollen die bra­si­lia­ni­schen Urein­wohner mit der Teil­nahme am inter­na­tio­nalen Emis­si­ons­handel ihr Über­leben sichern.
Die Bewohner des 250.000 Hektar großen Ter­ri­to­riums Sete de Setembro, das zwi­schen den Bun­des­staaten Ron­dônia und Mato Grosso in der Nähe der boli­via­ni­schen Grenze liegt, hatten in den letzten Jahr­zehnten tur­bu­lente Zeiten erlebt.

 

Drei Jahre nach der ersten Kon­takt­auf­nahme mit der soge­nannten ‘Zivi­li­sa­tion’ 1969 sorgten ein­ge­schleppte Krank­heiten dafür, dass die Zahl der Paiter-​Suruí von ursprüng­lich 5.000 auf 300 zurück­ging. Inzwi­schen zählt die eth­ni­sche Gemein­schaft wieder 1.350 Mit­glieder. Sie alle sind fest ent­schlossen zu über­leben. ‘Suruí’ ist der Name, den Anthro­po­logen den Indi­genen gegeben hatten. Sie selbst bezeichnen sich als ‘Paiter’, was in der von ihnen gespro­chenen Tupí-​Mondé-​Sprache so viel bedeutet wie »das wahre Volk, wir selbst’.

Pro­jekt angelaufen

Vor vier Jahren haben die Urein­wohner ihr Suruí-​Wald-​Karbon-​Projekt gestartet. Im April wurde das Vor­haben, durch den Schutz und die Auf­fors­tung von Wäl­dern zur Neu­tra­li­sie­rung der CO2-​Emissionen bei­zu­tragen, offi­ziell aner­kannt. Es ist Teil der UN-​geförderten Initia­tive zur Ver­rin­ge­rung der Emis­sionen aus Ent­wal­dung und Schä­di­gung von Wäl­dern (REDD+).

Der Handel mit Emis­si­ons­re­duk­ti­ons­zer­ti­fi­katen oder CO2-​Credits erlaubt Län­dern oder Unter­nehmen, die Netto-​Produzenten von Treib­haus­gas­emis­sionen sind, einen Teil ihrer Emis­si­ons­schulden aus­zu­glei­chen, indem sie für Initia­tiven bezahlen, die anderswo für eine Ver­rin­ge­rung der CO2-​Emissionen sorgen.

Nach einem Jahr­zehnte langen Kampf gegen den Ein­fall von Holz­fäl­lern, Berg­leuten, Wil­de­rern und Sied­lern ist es den Paiter-​Suruí in den letzten sieben Jahren gelungen, 14.000 native Bäume wie Kakao, Kaffee, Maha­goni und Açaí-​Palmen zu pflanzen.

»Wir wollen, dass unser Volk pro­fi­tiert und sich in Überein­stim­mung mit seinen Bedürf­nissen weiter ent­wi­ckelt«, sagte Almir Suruí, der Chief der Paiter-​Suruí und Mit­glied der Koor­di­na­ti­ons­stelle indi­gener Orga­ni­sa­tionen des bra­si­lia­ni­schen Ama­zonas. Der 38-​Jährige trägt eine Kette aus Pflan­zen­samen, wie sie die Frauen seiner Gemein­schaft her­stellen. Bei Aus­wärts­ter­minen erscheint er in west­li­cher Klei­dung, die aber seine Kör­per­be­ma­lung, auf die er ebenso großen Wert legt, nie gänz­lich verdeckt.

Bevor Almir Suruí in Bra­si­lien bekannt wurde, hatte er sich mit einer Klage vor der Orga­ni­sa­tion Ame­ri­ka­ni­scher Staaten (OAS) gegen den ille­galen Holz­ein­schlag auf indi­genem Ter­ri­to­rium inter­na­tional einen Namen gemacht. Er ist zudem dafür bekannt, dass er sich für das Recht der indi­genen Völker ein­setzt, in frei­wil­liger Selbst­iso­la­tion zu leben. Außerdem ist er ein erklärter Gegner von Was­ser­kraft­werken an den Flüssen von Rondônia.

Um ihre Nach­hal­tig­keits­ziele zu errei­chen, arbeiten die Paiter-​Suruí mit Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tionen und staat­li­chen Agen­turen wie dem Bra­si­lia­ni­schen Fonds für Arten­viel­falt (Funbio) zusammen, der die Umset­zung von Finanz­me­cha­nismen und Instru­menten erleich­tert, die der Gemein­schaft ein Ein­kommen sichern sollen.

Ein­nahmen in Millionenhöhe

Das Suruí-​Karbon-​Projekt sieht den Schutz von mehr als 12.000 Hektar Wald über einen Zeit­raum von 30 Jahren vor. Die Suruí gewähr­leisten die Spei­che­rung einer jähr­lich fest­ge­legten Menge CO2 und können die dadurch erwor­benen CO2-​Credits auf dem Emis­si­ons­markt anbieten. Geschätzt wird, dass sie auf diese Weise im Ver­lauf des Pro­jekts an der Akku­mu­lie­rung von acht Mil­lionen Tonnen CO2 bis zu 40 Mil­lionen US-​Dollar ver­dienen können.

Das Geld aus dem Ver­kauf der CO2-​Zertifikate ist für den Paiter-​Suruí-​Karbonfonds bestimmt, aus dem die Umset­zung eines Ent­wick­lungs­plans finan­ziert wird. Die Paiter-​Suruí pro­du­zieren der­zeit bereits mehr als 4.000 Tonnen orga­ni­schen Kaffee und 10.000 Tonnen Cas­he­w­nüsse. Für die Ver­mark­tung der beiden Erzeug­nisse liegen bereits Busi­ness­pläné vor.

Mit Hilfe von Spen­den­gel­dern und dem Ver­kauf von CO2-​Credits sollen dem Kar­bon­fonds in den nächsten drei Jahren sechs Mil­lionen US-​Dollar zufließen. Sobald das Ziel erreicht ist, wird der Fonds voll­ständig von den Paiter-​Suruí ver­waltet, die von Funbio bereits auf diese Auf­gabe vor­be­reitet werden.

Die Initia­tive der indi­genen Gemein­schaft, einen Finanz­me­cha­nismus zu schaffen, der das eigene Über­leben sichert, hat Chief Almir 2011 den 53. Platz auf der Liste der 100 krea­tivsten Geschäfts­leute des US-​amerikanischen Maga­zins ‘Fast Com­pany’ gesi­chert. Im Mai wurde er zu einer Kon­fe­renz des bri­ti­schen Wirt­schafts­ma­ga­zins ‘The Eco­no­mist’ geladen, um den dort ver­sam­melten Unter­neh­mern und Wis­sen­schaft­lern von seiner Initia­tive zu berichten.

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