"Die Alten werden abgeschoben"
Der Guardian schaut sich den Exportweltmeister Deutschland an
Ende Oktober des nun zu Ende gehenden Jahres machte das Statistische Bundesamt darauf aufmerksam, dass die Zahl der pflegebedürftigen Alten in Deutschland steigt, die Unterstützung vom Staat benötigen, weil sie die Pflege nicht aus eigenen Mitteln bezahlen können. Seit 15 Jahren verzeichnet das Amt eine Zunahme; im Jahr 2010 waren es 411.000, die eine Hilfe zur Pflege bezogen. Im Jahr zuvor waren es 392.000. Die staatlichen Unterstützungsausgaben für die Pflege stiegen demzufolge auf mehr als 3,4 Milliarden Euro.
In Medien hieß es, dass man in den Führungsetagen der Kranken-und Pflegeversicherung darüber nachdenke, die Pflege teilweise ins "lohnkostenbilligere Ausland" zu verlagern; es gebe bereits Kooperationen mit Reheakliniken im Ausland. Erwähnt wurde ebenfalls, dass "schon jetzt eine steigende Zahl an Deutschen aus Kostengründen in Altenheimen in Osteuropa, Spanien oder Thailand gehen" (Alte: Flucht ins Ausland?).
Am zweiten Weihnachtstag brachte nun auch der britische Guardian einen Bericht dazu. Mit einem leichten, aber unübersehbaren Twist. Der Lack der glänzenden Wirtschaftsmaschine Deutschland blättert ziemlich ab, wenn es um die schwachen Alten in einem Land, dessen Bevölkerung zu "fastest-ageing populations in the world" gehört, derart steht - so die Botschaft des Artikels, dessen Überschrift mit dem "Exportweltmeister" sein Spiel treibt: Germany 'exporting' old and sick to foreign care homes.
Von fallenden Standards bei steigenden Kosten, einer alternden und schrumpfenden Bevölkerung, einer "Zeitbombe" ist darin die Rede, von der Austeritätspolitik Merkels, die mit den Pflegeansprüchen der Schwächeren nicht zurechtkommt und mit Anspielungen auf die Nazi-Zeit. Erwähnt wird die Vdk-Präsidentin Ulrike Mascher, die in ihrem Kommentar zu den Plänen kritisierte, dass "im Moment erschreckend offen diskutiert (wird), Menschen, die sich Pflege in Deutschland nicht leisten können, einfach ins nähere und fernere Ausland abzuschieben". Beim Guardian wird dafür der Begriff „inhumane deportation“ verwendet.
Zwar macht die Aussage eines Altenheim-Betreibers in der Slowakei die Leser darauf aufmerksam, dass der Begriff aus der Nazi-Zeit hier nicht angebracht ist - "Sie werden weder deportiert noch ausgewiesen. Viele sind aus freien Willen hier und das ist das Resultat eines sensiblen Entscheidungsprozesses ihrer Familien, die wissen, wo es ihnen besser geht" -, doch heißt dies auch, dass nicht alle aus freien Willen in das Pflegeheim gekommen sind und dass Entscheidungen der Familie auch über den Willen der Älteren hinweggehen können, ist nicht selten.
Der Guardian-Bericht nennt auch Zahlen. Denen zufolge leben geschätzte 7.146 deutsche Rentner in Altenheimen in Ungarn. "Mehr als 3.000 wurden in Heime in der tschechischen Republik geschickt" und 600 in die Slowakei. Darüber hinaus wird eine unbekannte Zahl von deutschen Rentnern in Spanien, Griechenland und der Ukraine erwähnt, ebenso, dass Thailand und die Philippinen eine wachsende Zahl älterer Deutscher anziehen.
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